Mou­sa, 11 Jah­re, aus Syrien

Fall 01 – Mou­sa (#ein­ge­reist)

Mou­sa* ist inzwi­schen 14 Jah­re alt und war fast vier Jah­re von sei­ner Mut­ter getrennt. Im Febru­ar 2019 konn­te die Mut­ter end­lich nach Deutsch­land ein­rei­sen. JUMEN beglei­te­te das Ver­fah­ren zusam­men mit der Koope­ra­ti­ons­an­wäl­tin Sig­run Krau­se gegen­über dem Aus­wär­ti­gen Amt, vor dem Ver­wal­tungs­ge­richt Ber­lin und dem Bundesverfassungsgericht.

Sei­ne Mut­ter klagt auf Familiennachzug

Mou­sa floh im Alter von 8 Jah­ren mit sei­ner Mut­ter und sei­nem Onkel aus Syri­en über Ägyp­ten und die Tür­kei. Sei­ne Mut­ter konn­te in der Tür­kei Arbeit fin­den. Für Mou­sa selbst gab es wegen der Sprach­bar­rie­re kei­ne Mög­lich­keit dort zur Schu­le zu gehen und somit kei­ne Aus­sicht auf einen Schul­ab­schluss. Die Fami­lie ent­schied, dass Mou­sas lang­fris­ti­ge Per­spek­ti­ven Prio­ri­tät haben soll­ten. Die Flucht über das Mit­tel­meer war zu teu­er für die gan­ze Fami­lie. Mou­sa und sein Onkel tra­ten gemein­sam die wei­te­re Flucht an. Sei­ne Mut­ter blieb in der Tür­kei zurück. Der 10-jäh­ri­ge Mou­sa und sein Onkel erreich­ten 2015 Deutsch­land. Damals waren die bei­den noch sicher, dass die Mut­ter rasch nach­zie­hen dürfe.

Doch dann wird Mou­sa im Behör­den­cha­os ver­ges­sen. Erst 2016 erhielt er schließ­lich in Deutsch­land den sub­si­diä­ren Schutz. Mitt­ler­wei­le wur­de der Fami­li­en­nach­zug zu sub­si­di­är Geschütz­ten von der Bun­des­re­gie­rung aus­ge­setzt. Sei­ne Mut­ter darf somit nicht zu ihrem Sohn nach­zie­hen. Mou­sas Mut­ter stell­te zusam­men mit JUMEN einen Eil­an­trag beim Ver­wal­tungs­ge­richt Ber­lin und will das Aus­wär­ti­ge Amt ver­pflich­ten, ein Visum für die Mut­ter aus­zu­stel­len, ger­ne als Här­te­fall. Das Ver­wal­tungs­ge­richt und das Ober­ver­wal­tungs­ge­richt lehn­ten ab, mit Ver­weis auf §104 Auf­ent­halts­ge­setz. Die Tren­nung stel­le zwar eine schwie­ri­ge Situa­ti­on dar, doch dies recht­fer­ti­ge noch kei­ne sofor­ti­ge Ent­schei­dung, so das Gericht. Der regel­mä­ßi­ge Kon­takt zur Mut­ter wür­de die Belas­tung mildern.

“Ich brau­che mei­ne Mut­ter,” sagt Mousa

Mou­sa besucht inzwi­schen die sechs­te Klas­se. Er mag Sport und Mathe. Aber Mou­sa lei­det an Migrä­ne und Depres­sio­nen, die ihn regel­mä­ßig an der Teil­nah­me am Unter­richt hin­dern. Seit fast drei Jah­ren lebt er inzwi­schen ohne sei­ne Mut­ter. Ihm wur­de eine psy­chi­sche und post­trau­ma­ti­sche Belas­tungs­stö­rung dia­gnos­ti­ziert, die laut Begut­ach­tung einer Kin­der­psy­cho­the­ra­peu­tin mit der Zeit chro­nisch wer­den könnte.

“Wer um das Leben sei­ner engs­ten Ange­hö­ri­gen ban­gen muss, kann sich auf die Her­aus­for­de­run­gen, die ein Neu­an­fang in frem­der Umge­bung bedeu­tet, nur schwer ein­las­sen.“ Pro Asyl

Die Mut­ter leb­te wei­ter in der Tür­kei. All ihre Ver­su­che nach­zu­kom­men schei­ter­ten zunächst. Mou­sas Ver­such, sei­ne Mut­ter in der Tür­kei zu besu­chen, wur­de von den tür­ki­schen Behör­den ver­wehrt. Begrün­det wur­de dies mit Mou­sas ille­ga­ler Aus­rei­se aus der Tür­kei im Jahr 2015. Die Vor­mün­de­rin erzählt, wie bewegt, wütend, ver­zwei­felt und hoff­nungs­los Mou­sa danach war. Er habe geäu­ßert, dass er nicht wis­se, was er jetzt mit sich „anstel­len“ sol­le. Er sag­te, er brau­che Hil­fe, um mit der Situa­ti­on fer­tig zu werden.

“Wo ist die Mensch­lich­keit?”, fragt Mousa’s Mutter

Zusam­men mit JUMEN erho­ben Mou­sa und sei­ne Mut­ter im Juni 2017 Ver­fas­sungs­be­schwer­de. Der Eil­an­trag wur­de abge­lehnt. Über die Fra­ge der Ver­fas­sungs­mä­ßig­keit der Aus­set­zung des Fami­li­en­nach­zugs ent­schied das BVerfG nicht. Es wäre, laut BVerfG in der Haupt­sa­che zu klä­ren, ob die Aus­set­zung des Fami­li­en­nach­zugs zu sub­si­di­är Schutz­be­rech­tig­ten mit dem Grund­ge­setz im Ein­klang steht. Zusätz­lich müss­te ein wei­te­rer Antrag mit einem aktu­el­len psy­cho­the­ra­peu­ti­schen Gut­ach­ten beim Ver­wal­tungs­ge­richt gestellt wer­den. Dabei leg­te das Gericht nahe, dass eine Tren­nungs­zeit von fast drei Jah­ren an der Gren­ze eines noch ver­tret­ba­ren Zeit­rau­mes lie­ge, wie dies das Ver­wal­tungs­ge­richt in der ers­ten Instanz kom­men­tiert hat­te. Eine aus Sicht von JUMEN frag­wür­di­ge Entscheidung.

Doch das Ver­wal­tungs­ge­richt ent­schied auch danach nicht, denn kurz danach trat im August 2018 die Neu­re­ge­lung zum Fami­li­en­nach­zug in Kraft. Eine Ein­rei­se der Mut­ter soll­te danach mög­lich sein. Doch die­se ver­zö­ger­te sich erneut. Erst im Okto­ber 2018 durf­te die Mut­ter nach erneu­tem Inter­ve­nie­ren von JUMEN in der Tür­kei vor­spre­chen. Auf­grund des Behör­den­cha­os dau­er­te es bis Febru­ar 2019, bis die Mut­ter ein­rei­sen durfte.

Jetzt ist Mous­sa 14 Jah­re alt. Er war fast vier Jah­re von sei­ner Mut­ter getrennt.

JUMEN beglei­te­te das Ver­fah­ren zusam­men mit der Koope­ra­ti­ons­an­wäl­tin Sig­run Krause.

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*Name geän­dert zum Schutz der Person