Jacob, 7 Jahre, aus Syrien
Fall 05 – Jacob (#eingereist)
Der 6‑jährige Jacob* floh mit seinem Onkel und seiner Tante nach Deutschland. Zwei Jahre lebt er getrennt von seinen Eltern und seiner jüngeren Schwester, bevor die Familie als Härtefall anerkannt wird. JUMEN begleitete das Verfahren zusammen mit der Kooperationsanwältin Sigrun Krause.
Als Härtefall anerkannt darf seine Familie nach Deutschland
2013 erlitt Jacobs Vater während eines Bombenanschlags eine schwere Verletzung und ist seitdem von den Lungen abwärts gelähmt. Jacobs Mutter sorgte seitdem für Jacobs Vater, für Jacob und seine jüngere Schwester. Jacob wurde durch den Bombenanschlag schwer traumatisiert. Als Christen war die Familie in Syrien außerdem besonders bedroht.
2015 verschärfte sich die Lage in Syrien. Der Vater konnte nicht fliehen, dafür sein 6‑jähriger Sohn mit Onkel und Tante.
Sie flohen über das Mittelmeer und die Balkanroute. In Deutschland angekommen erhielt Jacob den subsidiären Schutz. Jacobs neues Zuhause ist zunächst eine Turnhalle, dann eine Containersiedlung am Rande von Berlin. Dort wohnt er mit seiner Tante und seinem Onkel. Seine Eltern und seine Schwester dürfen aufgrund der Aussetzung des Familiennachzugs zu subsidiär Geschützten nicht nachkommen.
“In Syrien kann ich nichts mehr machen. Ich werde wie ein Gestorbener behandelt.“ Jacobs Vater
Die Ärzte in Syrien können den Vater nicht versorgen, während in Deutschland Aussicht auf eine wirkungsvolle, ggf. sogar heilende Therapie besteht. Seine Frau ist mit der Pflege ihres Mannes und der Versorgung der inzwischen 5‑jährigen Tochter im Bürgerkrieg überfordert. Sie müssen teilweise bis zu einem Monat auf Verbände oder Medikamente warten. Sein Vater sagt bei der Visumsanhörung: „Ich habe Angst, dass ich meinen Sohn nicht mehr sehe. Meine Ehefrau weint täglich und vermisst unseren Sohn. In Syrien kann ich nichts mehr machen. Ich werde wie ein Gestorbener behandelt.“
„Ich weiß, ihr lügt, aber ich hoffe, sie kommen trotzdem.“ Jacob
Mit Unterstützung von JUMEN stellt die Familie einen Antrag als Härtefall wegen der Verletzung des Vaters und weil Jacob so jung ist.
Die Tante erzählt, am Tisch in ihrem Container sitzend, dass der Junge die Erklärungen der Erwachsenen für das Warten auf die Einreise seiner Eltern und Schwester nicht mehr glaube: „Ich weiß, ihr lügt“, habe er gesagt, „aber ich hoffe, sie kommen trotzdem.“
Jacob besucht die Grundschule. Es gefällt ihm, er lernt schnell Deutsch, spielt Fußball. Trotzdem leidet er sehr unter der Trennung von seinen Eltern und jüngeren Schwester, fürchtet sich vor der syrischen Regierung und will nicht mehr arabisch sprechen.
Die Botschaft in Beirut entscheidet, die Familie stelle ein “singuläres Einzelschicksal” dar. Die Familie darf im Mai 2017 vorsprechen. Allerdings stockt das Verfahren. Formblätter gehen verloren, das ärztliche Attest des Vaters soll noch einmal überprüft werden, die Ausländerbehörde will Bürgschaften. JUMEN unterstützt die Familie in dem komplizierten Verfahren.
Im Dezember 2017 darf die Familie, Eltern samt Schwester, für drei Jahre nach Deutschland einreisen. Auf dem Aufenthaltstitel wird vermerkt, dass eine Verlängerung der Erlaubnis ausgeschlossen ist. In drei Jahren ist Jacob aber immer noch minderjährig und der Vater weiterhin pflegebedürftig. Die Familie geht mit Unterstützung von JUMEN dagegen vor. Der Vermerk wird gestrichen. Es folgen weitere Hürden. Der Vater hat keinen Rollstuhl. Mitarbeitende der Unterkunft besorgen einen. Die sanitären Einrichtungen in der Unterkunft sind nicht behindertengerecht und es gibt wenig Hoffnung auf eine freie Wohnung. Dennoch sind alle froh, wieder zusammen zu sein.
JUMEN begleitete das Verfahren zusammen mit der Kooperationsanwältin Sigrun Krause.
In der Presse:
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*Name geändert zum Schutz der Person