Staif, 36 Jahre, aus Syrien
Fall 04 – Staif (#eingereist)
Der Familienvater kam im Juli 2015 nach Deutschland. Er war über drei Jahre von seiner Frau und seinen zwei kleinen Töchtern getrennt. Die Familie konnte im Oktober 2018 einreisen. JUMEN begleitete das Verfahren vor dem Verwaltungsgericht Berlin und dem Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg zusammen mit der Kooperationsanwältin Sigrun Krause.
Seine Frau und zwei Töchter klagen auf Familiennachzug
Staif* arbeitete in Syrien als Elektroingenieur in einem von Rebellen eroberten Gebiet von Damaskus. Er fühlte sich bedroht. Er wurde von den Aufständischen als Verräter gesehen, weil er in einem staatlichen Unternehmen arbeitete. Er und seine Familie mussten deshalb innerhalb von Damaskus mehrmals umziehen. 2015 floh er schließlich aus Syrien und erreichte im Juli desselben Jahres Deutschland. Ein Jahr verging bis zu seiner Anhörung für das Asylverfahren. Zwei Wochen später erhält er Post vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge. Der Antrag auf Flüchtlingsschutz wurde abgelehnt, er erhält den subsidiären Schutz. Staif sagt, er habe danach vier Stunden auf dem Bett in seinem Zimmer gelegen und geweint. Er weiß, was das bedeutet.
“Jeden Tag telefoniert [Staif] mit seiner Frau. Nur sehr selten schalten sie dabei das Bild für den Videochat auf dem Handy ein – zu schmerzhaft sei es für beide, den anderen zu sehen” Berliner Morgenpost
Seine Ehefrau und zwei Töchter (damals 4 und 6 Jahre alt) konnten die gefährliche Flucht nicht antreten. Inzwischen waren zwei Jahre verstrichen, in denen Staif verzweifelt versuchte, sie zu sich zu holen. In der Abwesenheit des Vaters wurde die Familie mehrfach von Soldaten aufgesucht und bedroht. Deshalb müssen die Ehefrau und ihre Kinder für jeweils kurze Zeiträume bei verschiedenen Verwandten leben.
Staif hat mittlerweile seine beruflichen Qualifikationen in Deutschland anerkennen lassen, hat eine Festanstellung als Elektriker, Deutsch – und Integrationskurse absolviert und seine eigene Wohnung. Er könnte den Lebensunterhalt seiner Familie sichern. Trotzdem dürfen sie nicht nachkommen.
Die Situation seiner Familie in Syrien ist prekär. Es fehlt ihnen insbesondere an Geld und Essen. Auch haben die Kinder nur sehr eingeschränkten Zugang zu Bildung. Laut ärztlichem Attest leiden sie akut unter Alpträumen und Schlafstörungen wegen des Bürgerkriegs und der bald dreijährigen und auf unbestimmte Zeit andauernden Trennung vom Vater.
Staifs Klage um die Anerkennung als Flüchtling wird abgelehnt.
Zusammen mit JUMEN stellt die Familie einen Härtefallantrag und klagt vor Gericht. Im Februar 2018 lehnt das Verwaltungsgericht Berlin die Klage ab, kurz bevor die Aussetzung des Familiennachzugs im Bundestag verlängert wird. Der Richter hält eine zweijährige Aussetzung und eine moderate Verlängerung für verfassungsgemäß. Es liege kein Härtefall vor. Dabei lesen sich die Urteilsgründe, warum der Familie eine längere Trennung zugemutet werden könne, wie ein schlechter Familienratgeber – obwohl sich das Gericht auf eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes aus dem Jahr 1987 bezieht: die Ehe sei nicht mehr so jung und durch „gute wie schlechte Zeiten“ geprägt und bewährt; die Mutter-Kind Beziehung sei als wichtigste Beziehung gewährleistet und anders als früher könne durch die heutige Technik wesentlich entspannter telefoniert werden. Das Bundesverfassungsgericht hatte in anderen Fällen die Frage der Verfassungsmäßigkeit der Aussetzung des Familiennachzugs als klärungsbedürftig angesehen. Dennoch sah der Richter keinen Grund die Berufung oder Sprungrevision zuzulassen.
Im Mai 2018 beantragte Staif mit Unterstützung von JUMEN die Zulassung der Berufung beim Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg. Im August 2018 wird der Familiennachzug zu subsidiär Geschützen wieder eingeschränkt möglich. Die Familie hat Glück und erhält sofort einen Termin bei der Botschaft in Beirut. Im Oktober 2018 können Staifs Frau und zwei kleinen Töchter nach Deutschland einreisen.
JUMEN begleitete das Verfahren zusammen mit der Kooperationsanwältin Sigrun Krause.
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In der Presse:
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*Name geändert zum Schutz der Person