Jil­al, 17 Jah­re, aus Syrien

Fall 07 – Jilal

Jil­al* kam mit 15 Jah­ren allei­ne nach Deutsch­land, sei­ne Eltern und drei Geschwis­ter aus Damas­kus dür­fen nicht nach­kom­men. Das Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt (BVerfG) lehnt den Eil­an­trag ab. Es befasst sich erst­mals mit der Fra­ge der Ver­fas­sungs­mä­ßig­keit der Aus­set­zung des Fami­li­en­nach­zu­ges und fin­det, sie sei klä­rungs­be­dürf­tig. JUMEN beglei­te­te das Ver­fah­ren vor dem BVerfG zusam­men mit der Koope­ra­ti­ons­an­wäl­tin Julia Kraft.

Das BVerfG muss sich das ers­te Mal zur Aus­set­zung des Fami­li­en­nach­zu­ges äußern – und lässt es offen! 

Der damals 15-jäh­ri­ge Jil­al floh 2015 allei­ne aus Syri­en, erreich­te Deutsch­land und erhielt 2016 den sub­si­diä­ren Schutz. Sei­ne Eltern und drei jün­ge­ren Geschwis­ter sind in Damas­kus zurückgeblieben.

Die Fami­lie stellt einen Eil­an­trag auf Fami­li­en­nach­zug und klagt beim Ver­wal­tungs­ge­richt Ber­lin. Der Eil­an­trag wird im Okto­ber 2017 abge­lehnt. Mit Unter­stüt­zung von JUMEN erhebt die Fami­lie Ver­fas­sungs­be­schwer­de nebst Eil­an­trag beim BVerfG, denn Jil­al und sei­ner Fami­lie droht, das Recht auf Fami­li­en­nach­zug end­gül­tig zu ver­lie­ren, wenn er voll­jäh­rig ist, jeden­falls nach dama­li­ger Rechts­auf­fas­sung der deut­schen Fachgerichte.

Jil­al lei­det, laut psy­cho­lo­gi­schem Gut­ach­ten, an einer gene­ra­li­sier­ten Angst­stö­rung und Depres­sio­nen, die unmit­tel­bar mit der emo­tio­na­len Belas­tung der Tren­nung von der Fami­lie zusam­men­hän­gen. Kon­takt hat er zwar zu einem Onkel, der im glei­chen Ort lebt, aller­dings selbst schwer krank ist, immer wie­der sta­tio­när auf­ge­nom­men wird und sich nicht um den Jun­gen küm­mern kann.

„Ich wer­de bald 18, doch das Gesetz ver­bie­tet es mei­ner Fami­lie nach­zu­kom­men“ Jil­al

Kurz vor Ein­tritt der Voll­jäh­rig­keit ent­schei­det das BVerfG über den Eil­an­trag. Es lehnt den Antrag ab, lie­fert aber einen wich­ti­gen Beschluss, in dem sich das BVerfG erst­mals mit der Aus­set­zung des Fami­li­en­nach­zu­ges zu sub­si­di­är Schutz­be­rech­tig­ten befasst.

Das BVerfG hält die Fra­ge der Ver­fas­sungs­mä­ßig­keit der Aus­set­zung des Fami­li­en­nach­zugs für klä­rungs­be­dürf­tig. Es sei in der Haupt­sa­che zu klä­ren, ob die Aus­set­zung des Fami­li­en­nach­zugs mit dem Grund­ge­setz im Ein­klang steht. Dabei müs­se auch die Pra­xis der Här­te­fäl­le sowie die Umstän­de der in Deutsch­land leben­den Per­son, die den sub­si­diä­ren Schutz erhal­ten habe, mit in den Blick genom­men werden.

Spä­ter wird das Ver­wal­tungs­ge­richt Ber­lin in einem ande­ren Fall auf die Ent­schei­dung abstel­len, wenn es erst­mals den Fami­li­en­nach­zug zum min­der­jäh­ri­gen Kind trotz der Aus­set­zung erlaubt (sie­he Fall 2).

Jil­als Fami­lie hilft die Ent­schei­dung lei­der nicht. Denn eine Eil­ent­schei­dung zu Guns­ten der Fami­lie lehnt das BVerfG ab. Das Gericht erkennt an, dass es für die Fami­lie schwer wiegt, wenn die­se mit Ein­tritt der Voll­jäh­rig­keit ihr Recht auf Fami­li­en­nach­zug ver­liert. Doch eine posi­ti­ve Ent­schei­dung wür­de bedeu­ten, dass die­se für alle ande­ren Fäl­le auch gel­ten wür­de. Das wür­de aus Sicht des BVerfG im Ergeb­nis das Ende der Aus­set­zung des Fami­li­en­nach­zu­ges bedeu­ten – ein zu gro­ßer Ein­griff in die Gewal­ten­tei­lung. Einen Här­te­fall sieht das BVerfG trotz Vor­la­ge von Attes­ten auch nicht und stellt dabei bedenk­lich hohe Anfor­de­run­gen an die Beweis­last. Hier hät­te das Gericht die Mög­lich­keit gehabt, auf die Bedeu­tung des Kin­des­woh­les bei Här­te­fäl­len näher einzugehen.

Die Ent­schei­dung ent­täuscht. Gleich­zei­tig ist es ein Erfolg, dass sich das BVerfG in so kur­zer Zeit über­haupt zu dem The­ma äußer­te. Auf poli­ti­scher Ebe­ne fan­den zur glei­chen Zeit die Jamai­ka-Koali­ti­ons­ver­hand­lun­gen statt und der Fami­li­en­nach­zug war eines der gro­ßen Streitthemen.

Jil­al und sei­ne Fami­lie kön­nen die Ent­schei­dung nur schwer ertra­gen. Sie möch­ten nicht wei­ter­kämp­fen. In Rück­spra­che mit allen Betrof­fe­nen endet die Beglei­tung des Verfahrens.

JUMEN beglei­te­te das Ver­fah­ren zusam­men mit der Koope­ra­ti­ons­an­wäl­tin Julia Kraft.

Links:

In der Presse:

__________

*Name geän­dert zum Schutz der Person